Bauteilknappheit, Energiekosten, Nachhaltigkeit: Gespräch mit B. Lohmüller (Niehoff)
Niehoff blickt auf eine lange Geschichte in der Draht- und Kabelbranche zurück. Das 1951 von Walter Niehoff gegründete Unternehmen ist für Innovationen wie die robuste und zuverlässige Grobzuganlage M85, das Mehrdraht-Ziehsystem, das NPS (Niehoff Packaging System) und die Inline-Glühtechnik bekannt geworden. Heute ist Niehoff ein internationales Unternehmen mit acht Tochtergesellschaften, 1000 Mitarbeitern und einem Gruppenumsatz von 300 Millionen Euro. Wir haben uns lange mit Geschäftsführer Bernd Lohmüller unterhalten, um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Marktsituation, des Komponentenmangels, der Nachhaltigkeitsinitiativen und der neuen Projekte des renommierten Maschinenbauers vorzunehmen.
- Die letzten zwei Jahre waren für viele Branchen ein Wendepunkt. Haben diese Erfahrungen Sie dazu gezwungen, Ihre interne Organisation zu überdenken?
So wie sie die ganze Welt beeinflusst hat, hat die Pandemie natürlich auch Auswirkungen auf die interne Organisation von NIEHOFF und diese verändert. Unsere Mitarbeiter arbeiten so weit wie möglich im Home-Office abwechselnd mit festen Präsenzzeiten, um unseren weltweiten Verkauf mit Beratung und Service hundertprozentig stabil und die Reaktionszeiten wie gewohnt sehr kurz zu halten. Um unseren Kunden eine zuverlässige Inbetriebnahme ihrer Maschinen und schnellen Service zu garantieren, bieten wir online Service-Leistungen an und können sogar digitale Inbetriebnahmen durchführen. Wir nutzen alternative Möglichkeiten wie Videokonferenzen etc. um die Reisetätigkeiten unsere Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten. Ein weiteres Format sind VR-Firmenrundgänge, in denen unsere Kunden von Niehoff-Mitarbeitern geführt werden und interaktiv Fragen stellen können.
- Wie andere europäische Länder ist auch Deutschland von den jüngsten Erhöhungen der Energiekosten betroffen. Wie haben sich diese auf Ihre Tätigkeit ausgewirkt?
Ein bewusster Umgang mit Ressourcen, also auch mit Energie, war und ist bei NIEHOFF schon immer extrem wichtig. Die logische Konsequenz ist für uns, dass wir alle unsere Maschinen auf nachhaltige Weise produzieren. Unser neues Werk wurde 2008 gebaut und schon damals haben wir z. B. eine geothermische Heizungsanlage installiert. In unserem Werk nutzen wir die Abwärme unserer Server, Kompressoren etc. in den Heizungspumpen, gleichzeitig wird der Strom durch unsere eigene PV-Anlage erzeugt oder ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen bezogen. Wir sind zertifiziert nach ISO 14001, ECOVADIS, BLUE COMPETENCE, u.v.m. Die anhaltenden Energiepreiserhöhungen wirken sich jedoch drastisch auf die Kosten unserer Zulieferer (Gusseisen, Schweißteile usw.) und auch auf unsere eigenen Kosten aus.
- Wir haben von mehreren Maschinenherstellern erfahren, die aufgrund des Mangels an elektrischen Komponenten, SPS und Antrieben für den Maschinenbau Lieferprobleme haben. Ist Ihr Unternehmen auch von diesem Mangel betroffen?
Die hauptsächlich durch die Corona-Krise ausgelöste Knappheit von Stahl, Elektronikbauteilen, Kunststoff, Holz und Verpackungsmaterialien hat dazu geführt, dass in der Automobilindustrie sehr früh Teile der Produktion abgeschaltet werden mussten. Bänder wurden angehalten, die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Aber nicht nur die Automobilindustrie ist und war davon betroffen, allgemein leiden Industrie und Wirtschaft weltweit unter dieser dramatischen Situation. Trotz vorausschauenden Managements war es nur eine Frage der Zeit, bis die globale Lieferkrise sich auch auf NIEHOFF auswirkt und unsere Planung untergräbt. Zusätzlich haben der Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie der teilweise Lockdown in China die Situation nunmehr unkalkulierbar gemacht.
Seit einiger Zeit werden wir von bestimmten Lieferanten nicht mehr ausreichend, zu spät oder gar nicht mehr beliefert. Dank unserer weitsichtigen Lagerhaltung konnten und können wir zwar einiges abfangen, jedoch nicht alles. Bei vielen Engpassteilen handelt es sich um Elektronikbauteile. Hier gibt es nur begrenzte Möglichkeiten zu reagieren, denn alle potenziellen Lieferanten sind betroffen, was auch bei NIEHOFF zu teilweise dramatischen Lieferverzügen führt. Durch gezielte Umstrukturierungs- und Erweiterungsmaßnahmen sowie Anpassungskonstruktionen konnten wir bei unseren Produkten eine sehr hohe Flexibilität schaffen, was den Einbau von Elektronik–Steuerungen betrifft. Damit lässt sich der Engpass jedoch nicht komplett beseitigen, sondern allenfalls „verwalten“.
Unser Einkauf steht in ständigem Dialog mit unseren Lieferanten, um bei erneuter Verfügbarkeit von Komponenten sofort berücksichtigt zu werden. Aufgrund der hohen Nachfrage für die wenigen verfügbaren Artikel bleiben dramatische Preissteigerungen nicht aus. Diese Preiserhöhungen der für uns wichtigen Zukaufteile haben wir bisher komplett selbst getragen. Das heißt, wir haben diese Mehrkosten nicht auf die Produkte aufgeschlagen und sie nicht an unsere Kunden weitergegeben. Die beschriebene Engpasssituation hat uns allerdings nun auch in vielen Bereichen erreicht.
Wegen fehlender Zulieferteile können unsere Maschinen zum Teil nicht mehr termingerecht ausgeliefert werden. Da diese Situation eine globale, unvorhersehbare Problematik darstellt, für die es momentan keine kurzfristige Lösung gibt, sprechen wir hier faktisch von „höherer Gewalt“.
- Das Wort Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Welche Maßnahmen ergreifen Sie in dieser Hinsicht? Wie viele Kunden (prozentual) fragen Sie nach grünen Lösungen?
Wie bereits erwähnt, legen wir bei NIEHOFF schon immer größten Wert auf den verantwortungsvollen Verbrauch sämtlicher Ressourcen, einschließlich Energie. Das ist auch der Grund, warum wir alle unsere Maschinen nachhaltig produzieren. Aber nicht nur die Herstellung unserer Maschinen ist nachhaltig, auch unsere Maschinen selbst produzieren den Draht auf die jeweils umweltfreundlichste Art und Weise, um Energie zu sparen und den Output zu erhöhen.
Für unsere nachhaltige RBD-Linie MSM 86 mit R 502, die eine ältere Maschine ersetzt, haben wir kürzlich den NEXANS Supplier Award erhalten. Die neu ausgelieferte MSM86 mit R 502 spart 25% Energie und hat einen 60 % höheren Ausstoß.
Angesichts dramatisch gestiegener Energiekosten fragen fast alle Kunden nach energiesparenden Maschinen, die nachhaltig produziert werden und einen geringen CO2-Fußabdruck haben. Bei modernen NIEHOFF-Maschinen ist das Energiesparpotential im Vergleich zu bestehenden Maschinen enorm.
- Ein weiteres Schlagwort ist die Deglobalisierung, d. h. die gegenteilige Tendenz zur Globalisierung, nämlich der Handel innerhalb des eigenen geografischen Gebiets. Wie wirkt sich dieser makroökonomische Trend auf Ihr Unternehmen aus? Erleben Sie ihn auch?
Wir alle sind von der Deglobalisierung betroffen, sowohl im Privat- als auch im Geschäftsleben. Neue Zolltarife, Handelskriege, Kriege, enorm gestiegene Frachtkosten, die Verknappung von Materialien und Gütern usw. führen zu einer lokalen Produktion, die zwar CO₂ einspart, aber meist teurer ist und gar nicht mehr existiert. Die inländische Fertigung muss in den kommenden Jahren erst wieder aufgebaut werden, z.B. die Produktion von Mikrochips. NIEHOFF ist, wie alle anderen Maschinenhersteller auch, von diesem Trend betroffen …
- Haben Sie vor, Ihr Angebot weiter auszubauen? Wenn ja, in welchen Branchen?
NIEHOFF hat sein Produktportfolio in jüngster Zeit erweitert und ist nun auch in der Schlauch- und Rohrindustrie, in der Medizintechnik und in der Batterieindustrie tätig.
Der Fokus von NIEHOFF liegt jedoch weiterhin auf der Draht- und Kabelindustrie. Dort haben wir in den letzten Jahren große Doppelschlag-Verseilmaschinen für Stromkabel eingeführt, die in den nächsten Jahren einer der Haupttreiber in unserer Branche sein werden.
- Wie halten Sie Ihre Maschinen immer auf dem neuesten Stand, und was wird die nächste technologische Grenze in Ihrer Branche sein?
Wie bereits erwähnt, war NIEHOFF schon immer ein Technologieführer. Wir müssen ständig mit neuen Innovationen und Vorteilen für unsere Kunden auf den Markt kommen und Trends, wie z.B. die Digitalisierung, verfolgen und setzen. Derzeit liegt unser Entwicklungsschwerpunkt auf Prozesssteuerung, vorausschauender Wartung und Materialeinsparung (Kupfer ist teuer). Ebenso konzentrieren wir uns auf die Einsparung von Energie und die Erhöhung der Produktionsgeschwindigkeit und -leistung sowie auf die Steigerung der Gesamtanlageneffektivität (OEE). NIEHOFF arbeitet in der Forschung und Entwicklung sehr eng mit verschiedenen Universitäten zusammen. Die WALTER UND ELFRIEDE NIEHOFF Stiftung fördert derzeit ein Projekt zu digitalen Zwillingen an einer bayerischen Hochschule mit 500.000 Euro.
Im Bereich der Energieeinsparung und Produktionsgeschwindigkeit wird NIEHOFF in den nächsten Monaten eine bahnbrechende Entwicklung vorstellen.
- Sie haben gerade an der Messe wire Southeast Asia teilgenommen. Was waren Ihre Eindrücke von der Messe und dem Status der Branche in diesem geografischen Gebiet?
Die Messe war erfreulicherweise gut besucht, obwohl weniger Besucher aus dem Ausland, wie z. B. Indien, anwesend waren. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Südostasiatische Markt sich gut entwickelt und die Nachfrage der Kunden groß ist. Daher ist die wire Southeast Asia auch weiterhin eine wichtige Messe für die Region.
- Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen. Was haben Sie für das nächste Jahr in der Pipeline?
Unsere Pipeline ist in der Tat gut gefüllt, ich möchte Sie aber noch um Geduld bitten. Auf der wire 2024 werden wir der Branche unsere Innovationen vorstellen.
Wir freuen uns schon darauf! Die nächste Ausgabe der Düsseldorfer wire ist vom 15. bis 19. April 2024 geplant. Um mehr über die Lösungen von NIEHOFF für die Draht- und Kabelindustrie zu erfahren, können Sie das NIEHOFF-Team über die nebenstehenden Kontaktinformationen erreichen.