Leichtbau-Herausforderungen für Hersteller von Stahlrohren für die Automobilindustrie
Der Leichtbau ist einer der verbreitetsten Trends in der Automobilbranche. Eine Gewichtsreduzierung der Fahrzeuge kann z. B. durch den Ersatz der verwendeten Materialien mit leichteren Alternativen oder durch die Herstellung der Komponenten mit weniger Material erreicht werden. Letztlich geht es um mehrere Ziele: Einsparung von Rohstoffen und Produktionskosten, Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und damit auch der Umweltbelastung - natürlich ohne Abstriche bei Sicherheit und Leistung.
Die Fahrzeuggewichtsreduzierung kann unter anderem durch Materialsubstitution erreicht werden. Daher müssen die Hersteller von Präzisionsstahlrohren auch ihren Teil für die wichtigsten Rohrprodukte in PKW und Lastwagen anbieten, wie zum Beispiel:
Stabilisatoren, Nockenwellen, Antriebswellen, Lenkwellen, Türverstärkungen und Rohre für Sitzverstellungen und andere.
Viele Rohrhersteller müssen sich dieser Herausforderung stellen und entweder eine alte bewährte Rohrschweißlinie modernisieren, oder wenn die ersten Überlegungen im Gesamtpaket zu teuer werden, über die Anschaffung einer neuen Schweißlinie nachdenken. Abhängig von den zu schweißenden Rohrabmessungen handelt es sich hierbei um eine Investitionssumme, die bei ca. 1,8 Millionen Euro beginnt und für größere Rohrdimensionen und umfangreiche Peripherie rund um die Linie auch 10 Millionen Euro erreichen kann. Zu beachten ist ebenfalls die Lieferzeit, die auch 12 Monate überschreiten kann. Hinzu kommt die Einarbeitungszeit für das Bedienpersonal, die praktisch nach der Installation der gesamten Linie beginnt und bei der Planung des Starts der neuen Produktion nicht zu unterschätzen ist.
Die Anschaffung einer neuen Schweißanlage muss daher gut überlegt und abgewogen werden. Alle Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden, um die alte Schweißstraße für die Anforderungen vorzubereiten.
Die notwendige Modernisierung einer Altanlage ist abhängig von den zu schweißenden Rohrdimensionen, dem Instandhaltungszustand der Anlage und der individuellen Bauweise. Daher sind keine Schubladenlösungen verfügbar. Dennoch können einige Punkte, die unbedingt beachtet und berücksichtigt werden müssen, in der folgenden Reihenfolge dargestellt werden:
1. Eingangsmaterial
Die Bestellung der richtigen Bandbreite ist von entscheidender Bedeutung. Wie ist die Rohrblume ausgeführt, sind die Messerwalzenwalzen im richtigen Winkel vorhanden und ist eine Bandkantenbeschabung in der Anlage vorgesehen, die vom mir gerade für größere Wanddicken empfohlen wird, um mögliche Verunreinigungen in den Bandkanten zu beseitigen und eine partielle Unsicherheit der Haltbarkeit der Schweißung des Rohrs zu beseitigen. Leider gibt es nach meinem Kenntnisstand derzeit keine geeignete Bandschabeeinrichtungen für hochfeste Stähle > 3,5 mm auf dem internationalen Markt. Versuche haben gezeigt, dass die vorhandenen zu schwach gebaut sind. Wird der Banddickenbereich beginnend ab 4,0 mm und größer angestrebt, sollte über eine Eigenkonstruktion, bzw. Vergabe der Konstruktion einer Bandschabeeinrichtung nachgedacht werden. Die Kosten für den reinen Maschinenbau mit Einbindung in die Maschinensteuerung der Gesamtanlage können 250 TEuro und mehr erreichen.
Ist die Bandbreite nach dem Spalten konstant auf der Länge des Bandes ausgeführt und sind die Bandkanten frei von Beschädigungen beim Spalten, z. B. bei ausgebrochenen Messern und durch den Transport selbst?
2. Aufbau der Schweißlinie
Die Anzahl der Gerüste im Einform- oder Kalibrierbereich lässt sich nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand erhöhen, da diese mit der Verlängerung des Maschinenbetts verbunden sind. Daher sollte eine Mindestzahl an Gerüsten vorhanden sein. Im Einformbereich ist dies weniger kritisch, aber im Kalibrierbereich ist dies essentiell. Gerade wenn das Durchmesser-Wanddickenverhältnis des zu schweißenden Rohrs kleiner als 5,5 und der Innendurchmesser kleiner als 22 mm werden. In diesem Fall sollte ein möglichst großer Rohrdurchmesser am Schweißtisch gewählt werden, um mit einem ausreichend großen Impeder genügend Wärme für die Schweißung in das Material zu bekommen. Im nachfolgenden Kalibrierbereich muß der Außendurchmesser allmählich reduziert werden, ohne dass Risse im Material entstehen. Da die Reduzierung pro Gerüst materialbedingt in engen Grenzen möglich ist, muss eine ausreichende Zahl von Gerüsten vorhanden sein. Werden zudem engere Grenzen der Außendurchmessertoleranz angestrebt, z. B. < 0,08 mm, wird zumindest an den letzten beiden Gerüsten der Kalibrierung jeweils eine hydraulische Klemmung der Walzenpaare empfohlen.
3. Antriebskraft und Generatorleistung
Die Materialbewegung in der Schweißlinie erfordert eine entsprechend hohe Antriebskraft. Idealerweise werden die Walzenpaare oben und unten in einem Gerüst einzeln angetrieben. Sind die Wellendurchmesser ausreichend dimensioniert, um die auftretenden Kräfte zu übertragen? Ist der Schweissgenerator ausreichend ausgelegt und noch zuverlässig genug, hochfestes Material mit der gewünschten Dicke zu schweißen? Entspricht der Arbeitsbereich des Generator den zu schweißenden Rohrabmessungen, so dass die Kondensatoren nicht umgeklemmt werden müssen?
In der Regel sollten kleinere Rohre mit einer höheren Frequenz, d. h. mit einer höheren Leistung, und größere Rohre mit einer geringeren Frequenz geschweißt werden. Moderne Generatoren, die exakt auf den zu schweißenden Abmessungsbereich ausgelegt sind, kommen mit einem Frequenzbereich aus.
4. Induktoren
In Abstimmung mit der Frequenz, des zu schweißenden Rohrs und dem aktuellen Schliffbild der Schweißung kann die Wärmeeinflußzone mit einer zwei- oder dreiwendigen Spule in einem bestimmten Maß beeinflusst werden. In der Regel ist es jedoch mehr eine Frage der Schweißphilosophie des Herstellers. Ist jedoch das Schliffbild der Schweißung grenzwertig, bzw. reißt die Schweißnaht gelegentlich bei den zerstörenden Prüfungen, können Versuche mit unterschiedlichen Windungen den entscheidenden Impuls bringen.
5. Innenschabung
Ungeachtet einer hydraulischen oder mechanischen Innenschabung, ist die Verwendung und Position des Ferritkerns mit seiner Ummantelung entscheidend. Ist die Kühlung so gewählt, dass der Epoxidharzmantel nicht verbrennt und ist es gegeben, dass genügend Wärme in das Rohr zur ausreichenden Verschweißung der Bandkanten fließen kann?
6. Emulsionsfluß und Kühlung
Mit Bedacht muss die Emulsion zur Kühlung und zur Verringerung der Reibung zwischen Material und den Walzen eingesetzt werden. Bei falschem Einsatz kann entweder eine Abschreckung des Materials und damit Risse im Rohr erzeugt werden, oder das Rohr fährt zu warm in die Kalibrierung und die Türkenköpfe und kann nicht bleibend verformt werden.
7. Trennanlage
Die höhere Festigkeit der Rohre muss auch für den vorhandenen Antrieb der Trennsäge beachtet werden. Ist dies gegeben, ist die Säge bei Rohren aus hochfesten Stählen nicht mehr das „Bottleneck“, wie bei anderen schnelllaufenden Rohrmaterialien. Daher und aufgrund der erforderlichen Nacharbeit der Rohrenden kann auch die Investition einer Schnelltrennanlage verzichtet werden. Geeignete Sägeblätter für die Kalttrenner, vorzugsweise mit Beschichtung sind auf dem Markt in ausreichender Auswahl erhältlich.
8. Qualität
Um eine gute Performance, OEE der Rohrschweißanlage sicherzustellen und die Ausschußrate gering zu halten, sind unter anderem auch die Stillstandszeiten zu reduzieren. Dies steht häufig im Widerspruch zu der erforderten, permanenten Sicherstellung der Qualität, insbesondere für die Automobilindustrie. Daher muß mit gut geschultem Personal, einer gewissenhaften und fachlichen Beurteilung von Mikroschliffen der Schweißnaht in geeigneter Häufigkeit, mit einer guten und sicheren Zugänglichkeit des laufenden Rohrs in der Anlage, insbesondere im Finishing-Bereich, permanenten Aufweit- und Querfaltversuchen sowie regelmäßigen Maßkontrollen ein Kompromiss gefunden werden.
Eine ausführliche und detaillierte Wareneingangsprüfung des Rohmaterials ist unabdingbar. Den Aufwand der Dokumentation der Maschinenparameter mit marktüblichem Equipment und Software, was sich bei möglichen Qualitätsabweichungen bewährt, muss im Einzelfall abgeschätzt werden.
Über den Autor:
Jürgen Stindt ist Diplom-Ingenieur FH Maschinenbau, 60 Jahre alt, mit mehr als 27 Jahren Erfahrung bei einigen führenden Rohrherstellern in Europa und den USA, jeweils in Führungspositionen.
In den letzten fünf Jahren arbeitete er an vorderster Front der Rohrindustrie als Projektmanager für neue Fabriken im Bereich ERW- und DOM-Rohre – hauptsächlich Fahrzeugstabilisatoren aus hochfestem Stahl herzustellen. Unter anderem war er verantwortlich für die Zusammenarbeit mit Maschinenherstellern (insbesondere Schweißmaschinenlieferanten) von der Konstruktion bis zur Inbetriebnahme am Aufstellungsort. Seit Herbst 2021 ist er als selbstständiger Berater in der Rohrfertigung und für Schweißmaschinenhersteller tätig.